Ausstellung-Detailseite

16.06. – 19.06.2022

Fruits of Knowledge

Die Welten der Liv Strömquist

Die schwedische Comic-Künstlerin Liv Strömquist ist ein Phänomen: Mit ihren feministisch-politischen Alltagsstudien, eine Art Liebesheirat zwischen Science-Slam und Stand-Up-Comedy, hat sie bislang Hunderttausende von Leser*innen hinter und mehr noch vor dem Comic-Gartenzaun erreicht. Ihr Erfolgsrezept? „Ich habe immer schon gezeichnet“, sagt sie in einem Interview mit ARTE. „Und schon als Kind habe ich in die Zeichnungen immer reingeschrieben, was die Figuren darin sagen. Eigentlich mache ich heute nichts anderes.“

Thematisch gehen Strömquists Comic-Geschichten vom Frauenleben im Mittelalter bis zum Selfie-Imperium von Kylie Jenner, von Senecas Ansichten zur Ehe bis zu Bruno Bettelheims Aussagen über Märchen (Experten tauchen bei Strömquist in den Comics meist in Person auf) und von neuen Einsichten in den Paradiesgarten bis zu Anorexie im Palast von Kaiserin Sissi. Zwischendurch wird gefragt, ob die Tierwelt wirklich als Vorbild für „natürliches“ menschliches Verhalten tauge. Dann wieder leitet ein T-Shirt-Motiv in einem Ladenschaufenster in Malmö ein Nachdenken über die Ehe als Falle ein. Und immer wieder finden sich Großansichten von Wegen, Pfaden, Wäldern und Weihern – Landschaften, in denen die Comic-Figuren, entlassen aus ihren Geschichten, mal auf der Flucht, mal im freudigen Aufbruch, dann wieder beim entspannten Schlaf auf der Wiese zu sehen sind.

Es passt, dass Strömquist ausgerechnet in einer Stockholmer U-Bahn-Station mit einer Kunstinstallation für Kontroversen sorgte. An der Wand hinter den Gleisen montierte sie neben anderen Motiven das riesige Bild einer Eistänzerin, die eine Spirale vollführt: ein Fuß auf dem Eis, der andere hoch in der Luft, und zwischen den Beinen ein kleiner Menstruationsfleck. Es gab Zustimmung, aber auch Proteste und Vandalismus, bis hin zu dem Wahlversprechen der schwedischen Rechtspopulisten, im Fall eines Wahlsiegs ein Verbot von „Menstruationskunst“ durchzusetzen.

In der Ausstellung „Fruits of Knowledge“ geben sechs Räume im Kunstpalais Erlangen Einblick in Liv Strömquists vielfältige Welten. Im Zentrum steht die Leseerfahrung: Videos von Menschen mit ganz unterschiedlichen Bezügen zu Strömquist lesen aus den Büchern vor. Die Leser*innen sind: Katharina Erben (Comic-Übersetzerin), Bela B Felsenheimer (Rockmusiker), Benigna Munsi (Schauspielschülerin und ehemaliges Nürnberger Christkind), Angelika Richter (Schauspielerin), Hella von Sinnen (Comédienne), Johann Ulrich (Verleger) und Charlotte Weyh (Schülerin).

Die Themen ihrer Vorträge werden an den Wänden, auf Tapeten und in Vitrinen erweitert – ein heiterer Rundgang durch Philosophie, Gefühlswelten und Mythen neu gelesen, bis hin zur Vulva in der Vorgeschichte, jenem „Ursprung der Welt“, mit dem Strömquists Erfolgsgeschichte in Deutschland vor kaum zehn Jahren begann.


Brigitte Helbling

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