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Richard Paul Lohse

3 x 3 Farbgleichungen

1980

Mappe mit drei Siebdrucken
Maße: jeweils 63 x 120 cm
Signatur, Datierung, Nummerierung: jeweils signiert rechts unten, nummeriert links unten
Exemplar-Nummer: 9/50
Druck: éditions média, Neuchâtel (Schweiz)
Text: Rudi H. Fuchs und Richard Paul Lohse
Inventar-Nummer: 1000171.1–3

 

Das serielle Prinzip aus 3 x 3 Farbgleichungen ist ein faszinierendes Beispiel für Lohses Konstruktivismus.1 Quadrate in den Farben Gelb, Grün, Blau, Violett, Rot und Orange sind in dieser Abfolge nebeneinander und in wechselnder Abfolge übereinander gereiht. Drei mal je sechs Quadrate bilden die lang gezogenen Rechtecke der drei Blätter. Die Variationen entstehen durch den unterschiedlichen Beginn der festgelegten Farbfolge. Möglicherweise inspiriert von Johannes Ittens „konstruktiver Farbenlehre“ sind hier die Farben der „ersten Ordnung“, Gelb, Blau, Rot und die entstandenen „Mischfarben“, welche zur „zweiten Ordnung“ gehören, entgegen dem Uhrzeigersinn aufgestellt.2 Das Prinzip ihrer Komposition erläutert er im Mappentext für Blatt C.


Für die dreiteilige Serie gilt: Es gibt keine Hierarchie der Farben an sich, alle haben ihren Platz in der Reihung. Benachbarte Farben begegnen sich immer wieder aufs Neue, nur der Beginn ihrer Abfolge ist flexibel, so daß sich nur in der Vertikalen immer wieder andere Begegnungen ergeben. In ein Raster gezwängt, behalten die Farben dennoch ihren Charakter.
Im Mappentext von Rudi Fuchs wird Bezug auf „die Gleichheit von Farben und Formen“ genommen. Erst die „Gleichheit”, die Lohse so wichtig ist, ermöglicht es ihm, „das objektive und universelle Bild“3 zu schaffen, das Vielheit einschließt.


In Lohses Ausführungen zum Werk wurden die Farben numeriert. Sechs natürliche Zahlen von 1 bis 6 ergeben horizontal addiert stets die Gesamtsumme 21. Moderne Mathematik nimmt den Zahlen ihre symbolische Bedeutung, hier sind sie nur noch Platzhalter für Farbwerte und erleichtern die Entschlüsselung der festgesetzten Rhythmisierung. Die Struktur der Farbwerte setzt sich pro Blatt in anderen Anordnungen fort. Die jeweils nachfolgende Serienreihe darf keine Kombination enthalten, welche die exakte Farbanordnung der vorangegangenen besitzt. Die dadurch entstehenden Rapporte beziehungsweise Farbrechtecke würden die Identität des Werkes zerstören.


Konstante Farbfolgen sind aus der Natur bekannt. Der Regenbogen ist eigentlich ein Regenkreis, denn er entsteht um den Sonnengegenpunkt mit einem Radius von 42 Grad. Nur für Betrachter aus der Luft ist dieses Farbenwunder als vollständiger Kreis aus Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo und Violett zu bestaunen. Beim Nebenregenbogen ist die Farbreihung umgekehrt. Das Prinzip ließe sich fortsetzen. Lohse greift dieses Naturschauspiel auf, streicht aus der Reihenfolge des gebrochenen Sonnenlichtes das Indigo. Er systematisiert, kombiniert und konstruiert die natürlichen Farben in seinem Koordinatenrahmen neu. Anzahl und Wert der Farbe sowie ihre quadratischen Flächen sind gleichwertig verteilt. Die Farbschlange windet sich von Zeile zu Zeile. Durch die Versetzung von Start und Ziel des Farbprogramms entstehen für die Betrachter verschiedene Hell/Dunkel-Kontraste. Der Definitionswechsel von Anfang und Ende der Sequenz verwandelt nachfolgende Farbketten mit entsprechender Wirkung auf die Arbeit in ihrer Gesamtheit. „Das Einfache entsteht nicht mehr durch Spontaneität, sondern durch mehrfache Entwicklungsprozesse, das Einfache wird zur Vielheit. Die Wahl der objektivierten Mittel und der Methode ergibt das Besondere – Menschliche.“4 In der Kombination der einfachsten morphologischen Elemente der Malerei, der sechs Farben, gelingt dem Schweizer Künstler ein evidentes Sinnbild für die Hoffnung seiner Zeit, Gleichheit und Freiheit miteinander verbinden zu können.


Sonja Kammerlander

 

 

1 Vgl. Hans Heinz Holz, Johanna Lohse James (Richard Paul Lohse-Stiftung) und Silvia Markun in Zusammenarbeit mit der Stiftung für konstruktive und konkrete Kunst Zürich (Hrsg.), Lohse lesen. Texte / von Richard Paul Lohse, Zürich 2002, S. 306 ff.
2 Johannes Itten, Kunst der Farbe. Subjektives Erleben und objektives Erkennen als Wege zur Kunst. Gekürzte Studienausgabe von Kunst der Farbe, Stuttgart 1970, S. 30.
3 Mappentext zu  x 3 Farbgleichungen von R. H. Fuchs, Eindhoven, 4.6.1980.
4 Holz 2002, S. 275.