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Camille Graeser

Bewegung um ein Excentrum

1958/72

Siebdruck auf Polystyrolplatte
Maße: 80 x 80 cm
Exemplar-Nummer: 84/100
Druck und Herausgeber: Galerie und Edition Hoffmann, Friedberg
Inventar-Nummer: 1002666

 

„Zwei Farbpaare, rot/grün + gelb/violett, polar komplimentär geordnet, lösen eine periphere Bewegung aus, während zwei weitere innere Farbpaare sich entgegengesetzt bewegen. Aus dieser Doppelbewegung resultiert ein weisser quadratischer Raum, der das exzentrische Energiefeld dieser Konkretion sichtbar macht.“1
Bei Camille Graesers Bewegung um ein Excentrum handelt es sich um ein typisches Beispiel der konkreten Kunst. In erster Linie geht es darum, zufällige Phänomene im Bild zu vermeiden. Graesers Kunst gewinnt ihre Bedeutung durch die abstrakte Komposition geometrischer Formen in verschiedenen Farben. Für ihn zählen die reine Farbe, die Gesetzmäßigkeiten der Formen und eine genaue Anordnung aller Komponenten. Linie und Fläche symbolisieren für ihn das Rationale. Im Gegensatz dazu verbindet er mit der Farbe das Intuitive. Für Graeser, der Mitglied der Gruppe „Zürcher Konkrete“2 war, ist Farbe „Optische Musik“.3


Die Arbeit Bewegung um ein Excentrum hat in diesem Sinne synästhetische Qualitäten. In der Komposition ist die Grundform das Quadrat des Formats. Es wird im Zentrum des Bildes wieder aufgenommen. Um das weiße Viereck, das Excentrum, ordnen sich die Farbpaare an. Die Bewegung erschließt sich dem Betrachter erst bei näherem Hinsehen. Die Farbe gibt die Richtung an: Von der dunkleren Farbe ausgehend wird die Bewegung definiert. Es ergänzen sich jeweils zwei Farbpaare, Rot/Grün und Gelb/Violett, die durch ihre vertikale oder horizontale Ausrichtung den Anstoß der Bewegung geben. So gibt der schmale und lange grüne Vertikalstreifen auf der rechten Seite den Schwung weiter an das rote, gedrungene, daneben liegende Viereck. Die Bewegung wird über das weiße Quadrat hinweg getragen und läuft über das kleinere grüne Band aus und kulminiert auf der linken Seite im roten großen Rechteck. Daneben gibt es noch eine entgegengesetzte, horizontal ausgerichtete Bewegung von oben nach unten, die nach dem gleichen Prinzip vorgeht.


Trotz vorgegebener Bewegungsrichtung liegt im Auge des Betrachters eine Variationsvielfalt der Wahrnehmung. Angeordnet um ein ausgespartes Zentrum der Stille bewegen sich die rhythmisierten Farbfelder gleichsam nach außen. In ihrer Bewegung um ein Excentrum spielen sie auf musikalische Phänomene an: Notenwerte, Takte, Klangakkorde. Nur scheinbar dissonant, fügen sie sich im quadratischen Bildformat zu einer harmonischen Komposition.


Annette Melber

 


1 Rudolf Koella (Hrsg.), Camille Graeser. Bilder, Reliefs und Plastiken. Werkverzeichnis Bd. 3, Zürich 1995. S. 207.
2 Die Zürcher Konkreten sind ein Zusammenschluß von Schweizer Künstlern, mit dem Ziel eine auf mathematisch-geometrischen Grundlagen beruhende  Kunst (Konkrete Kunst) zu schaffen. Rudolf Koella (Hrsg.), Camille Graeser 1892–1980, Zürich 1992, S. 32–33.
3 Ebd., S. 10.