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Haus-Rucker-Co

Broadway

1971

Mappe mit fünf zweifarbigen Halbton-Siebdrucken auf Strathmore Fairfield Papier
Maße: jeweils 58,4 x 73,6 cm
Signatur, Datierung, Nummerierung: jeweils signiert, datiert und betitelt rechts unten, nummeriert links unten
Exemplar-Nummer: 3/20 der Probedrucke
Druck: Alexander Heinrici
Inventar-Nummer: 1001105.1–5

 

„Stadt ist die einzige aller möglichen Welten. Man sollte sich in ihr einrichten.“
(Laurids Ortner, 1977)1


Am Ende der 1960er Jahre wurden in Wien mehrere Arbeitsgemeinschaften von Künstlern und Architekten ins Leben gerufen. Eine davon ist die nicht mehr existierende Gruppe Haus-Rucker-Co. Gründungsmitglieder waren 1967 die Architekten Laurids Ortner und Günter Zamp Kelp und der Maler Klaus Pinter. Der Name leitet sich von einem Bergzug in Oberösterreich ab, dem Hausruck. Er bezieht sich aber auch auf ihre nicht wörtlich zu verstehende Absicht, alte Häuser wegzurücken, um Platz für neue Architekturformen zu schaffen.


Laut Dieter Bogner lassen sich zwei der wichtigsten Konzeptionen der Künstler-Architekten-Gruppe mit den Prinzipien „Bewußtseinserweiterung“ und „Stadtgestaltung“ bezeichnen. 2 Der erste Begriff wird in Zusammenhang mit dem Mind-Expanding-Program gebraucht, in dem die Künstler aus pneumatischen PVC-Hüllen Environments entwickelten. Diese sollten das Bewußtsein und die Wahrnehmungsfähigkeit des Benutzers anregen. Dazu setzten sie eine Kombination formaler, farbiger und akustischer Effekte ein. Der Begriff „Stadtgestaltung“ fällt vor allem in Zusammenhang mit der später entwickelten Provisorischen Architektur, die eine neue Art der Wahrnehmung gegenüber der Stadt als Lebensraum beabsichtigte.


Bei der Mappe Broadway handelt es sich um eine Serie von fünf Siebdrucken, auf denen Photos von New Yorker Standorten entlang des Broadway mit Architekturvisionen von Haus-Rucker-Co kombiniert sind. Die Drucke sind jeweils mit dem Standort, dem Namen der pneumatischen Architekturutopie und einer kurzen Erklärung zur Nutzung derselben bezeichnet. So liest man zum Beispiel Fresh Air Reservation, The Cocoon, Four Seasons Hotel, Haus-Rucker-Co’s Studio und Joe’s Bar. Bei dem vierten Blatt wird die Adresse des neuen Studios von Haus-Rucker-Co in New York angegeben, 491 Broadway, dann der Titel Haus-Rucker-Co’s Studio und die Nutzung als plastische Ausweitung zum Leben, Entspannen und Arbeiten. Farblich ist der Druck grau-grün gehalten, wie die ersten beiden Blätter, wobei sich die utopische Architektur als schwarz-weißes Gebilde davon abhebt.


Zu sehen ist auf dem Bild die Ansicht einer typischen New Yorker Straßenecke. Auch ein Haus in der berühmten Gußeisenarchitektur ist am rechten Bildrand teilweise erkennbar. Im Mittelpunkt steht ein Bau, auf dessen blanker Seitenwand aus Ziegelsteinen ganz oben die Abkürzung HRC zu lesen ist. Auf ihm und dem dahinter zu sehenden Gebäude liegen zwei große zeppelinförmige pneumatische Gebilde. Im vorderen ist unter anderem eine Berglandschaft aus weiter Ferne zu sehen, über der Vögel fliegen. Ein schwarz-weiß gestreiftes längliches Objekt ragt aus dem Gebilde heraus, an dem ein Fallschirm hängt.


Diese Mappe macht nicht zuletzt auch deutlich, daß Haus-Rucker-Co Probleme ihrer Zeit mit Lebenslust und spielerischer Freude angehen – die Architektur wird um eine psychedelische Komponente erweitert. Die Künstler sind nicht darauf aus, die Menschen mit ihren Ideen zu missionieren. Sie setzen vielmehr auf die Bereitschaft, interessiert an Neues heranzugehen und den Möglichkeiten der städtischen Architektur mit Offenheit zu begegnen.


Vanessa Krout

 

 

1 Laurids Ortner, zit. nach: Kat. der Ausst. Haus-Rucker-Co. Denkräume – Stadträume 1967–1992, hrsg. v. Dieter Bogner, Kunsthalle Wien, Klagenfurt 1992, S. 289.
2 Dieter Bogner, Denkräume – Stadträume, in: Kat. Haus-Rucker-Co. 1992, S. 273 f.