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Walter Tafelmaier

Handlungen

1970

Heliogravüre
Maße: 53,5 x 38,5 cm
Signatur, Datierung, Nummerierung: signiert Mitte unten
Épreuve d’Artiste
Inventar-Nummer: 1003476

 

Die Heliogravüre von Walter Tafelmaier1 gehört zu einer Serie mit fünf Handschuhmotiven. Zwei schwarze Handschuhe schmiegen sich vor weißem Hintergrund zu einer geschlossenen Form ineinander. Sie stehen isoliert auf dem weißen Blatt, ohne Einbindung in eine Umgebung und wirken wie abgetrennte Hände. Ihre lederne Oberfläche ist gezeichnet von den Spuren des Alters und des Gebrauchs. Furchen und Falten bilden eine Art Mimik, bringen den Handschuh zum Sprechen. Realismus und Plastizität der Darstellung rücken die menschliche Hand beziehungsweise den Handschuh unter Berücksichtigung ihres gesellschaftlichen Aspektes in den Blickpunkt, erzählen von der „tagtäglichen Gebundenheit der Hand“, wie Tafelmeier in einem Interview 1970 bemerkt.2 Es gibt auch einen literarischen Aspekt, auf den der Künstler selbst verweist. In Schillers gleichnamiger Ballade wird der Handschuh zum verschmähten Liebesbeweis.


Handschuhe stellen ein zentrales Motiv im Frühwerk Tafelmaiers dar. Mit Hilfe ihrer Darstellung versucht er, die „Handschrift“ des Künstlers zu versachlichen bis hin zur Anonymisierung. „Der Handschuh ist nicht originär human, ist aber auch nicht verletzlich. Der Handschuh ist Hilfsmittel, Schutz, Zutat und schafft Distanz. Das Spiel mit ihm, ob grafisch oder real, enthält jenen Schuss Ironie, (…) der für das Gesamtwerk von Walter Tafelmaier typisch ist.“3


Auch szenisch setzte Tafelmaier die Handschuhe 1970 in einer Ausstellung im Münchner Kunstverein ein mit seinem Happening Fingerfest.4 Menschengroße Handschuhe dienten den Besuchern als Sitzgelegenheiten. An den Wänden hingen Plakate mit Handschuhmotiven und der Boden war bedeckt mit alten, übereinanderliegenden Handschuhen. In einem Schwarzweißfilm, in dem er „eine Art Fingerhandschuhtheater inszenierte“, machte Tafelmaier die Zuschauer zum Publikum scheinbar bewegter Fetischobjekte.5


Bisweilen band er Handschuhe auch metaphorisch in Zeichnungen von Landschaften ein; er gestaltete Objekte und Assemblagen aus Handschuhen, so daß aus den eigentlich leblosen Gegenständen ein Eigenleben erwuchs.


In der graphischen Umsetzung als Heliogravüren waren die Handschuhe vielleicht auch Vorboten eines Wandels seiner Arbeit.6 „Hat Tafelmaier in den Grafiken früherer Phasen bis etwa 1968 in einer exzellenten Technik ein Pandämonium ,böser‘ Figuren geschaffen (…), so gelangt er in den jüngeren Blättern zum einfachen Gegenstand“, Motiven wie Booten, Füßen, Bergen oder Pilzen.7
Die Plastizität und die realistische Wirkung der Handschuhe auf dem vorliegenden Blatt wird durch die Heliogravüre-Technik erzielt, ein Edeldruckverfahren, das es möglich macht, Photographien mittels des photomechanischen Kupfertiefdrucks zu vervielfachen und dabei echte Halbtöne und feinste Farbabstufungen wiederzugeben. Der „lauten“ Extrovertiertheit der gleichzeitigen Aktionen mit Handschuhen setzen die Heliogravüren dieser gesamten Serie Ruhe, Kontemplation unter Betonung der Nuancen entgegen.


Alexander Racz

 

 

1 Kat. der Ausst. Walter Tafelmaier. Furchenwendig, Städtische Galerie Erlangen, Nürnberg 2006.
2 Walter Tafelmaier im Interview mit Reinhard Müller-Mehlis, in: Münchner Merkur vom 30.10.1970.
3 Jürgen Weichardt, in: Kat. der Ausst. Walter Tafelmaier. Erste Gesamtausstellung 1964–1971, Kunstverein Ingolstadt 1971. o. S.
4 Vgl. Magazin Kunst 41/1971, S. 2171–2173.
5 Jürgen Weichardt, in: Kat. Tafelmaier 1971, o. S.
6 Ebd.
7 Ebd.