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Josef Albers

Hommage to the Square

1970

Kassette mit zehn Siebdrucken auf Karton
Maße: jeweils 55 x 55 cm
Signatur, Datierung, Nummerierung: jeweils signiert und datiert rechts unten, nummeriert links unten
Exemplar-Nummer: 113/125
Druck: Herbert Geier, Ingolstadt
Herausgeber: Eugen Gomringer
Verlag: Jospeh Keller, Starnberg
Text: Josef Albers
Inventar-Nummer: 1000283.1-10

 

Josef Albers’ Bilder sind einfach strukturiert, folgen einem strengen System und sind leicht reproduzierbar. Ein einmaliges Kunstwerk zu schaffen war nicht sein Ziel. Sein Ziel war höher gesteckt und hat weniger mit einem Kunstwerk als vielmehr mit uns zu tun. Der Bildaufbau seiner Huldigungen an das Quadrat – es gibt mehr als 1000 Versionen – beruht auf drei, manchmal auch vier auf einer Mittelachse ineinander liegenden Quadraten mit je gleichem Abstand zu den Seiten, nur leicht nach unten versetzt, was dem Bild Festigkeit und perspektivische Tiefe verleiht. Das Quadrat, eine geometrische, künstliche Form, die in der Natur nur in Salzkristallen vorkommt, dient Albers lediglich als Mittel, um den Hauptgegenstand des Bildes, die Farbe, voll zur Wirkung kommen zu lassen.
„Ich male keine Quadrate sondern Farbbeziehungen.“¹ Die Farbe ist alleiniger Akteur seiner Bilder. Bei längerer Betrachtung beginnen die Farben zu interagieren, sich in Wechselwirkung zu beeinflussen und zu verändern. Grenzen verschwimmen, eine homogene Farbe scheint an ihren Rändern heller oder dunkler zu werden, räumlich nach vorne oder zurück zu treten, durchzuscheinen oder eine andere Farbe zu überdecken. Mit einem einfachen praktischen Beispiel verdeutlicht Albers diesen visuellen Effekt. Taucht man seine linke Hand in kaltes, die andere in warmes Wasser und anschließend beide Hände in lauwarmes, wird man dieses Wasser mit der Rechten als kalt, der Linken als warm empfinden. Genauso verhält es sich mit der Farbe. Abhängig von ihrer Umgebung kann eine Farbe in unserer Wahrnehmung vielfältig erscheinen. Albers unterscheidet zwischen der physikalischen Wirklichkeit einer Farbe („factual fact“), im Beispiel des Wassers die feststehende Temperatur, und der psychischen Wirkung („actual fact“) – die Empfindung der Temperatur. Dabei stellt er fest, daß Farbe nie so gesehen wird, wie sie tatsächlich ist, ebenso wenig wie man davon ausgehen kann, daß eine Farbe von allen in gleicher Weise wahrgenommen wird. Unsere Wahrnehmung trügt und hängt von etlichen Komponenten ab. Albers’ Ziel war es, uns dafür die Augen zu öffnen – ,to open eyes‘.


Er wollte „das Sehen lehren“, nicht nur in seiner pädagogischen Funktion am Bauhaus, sondern ganz allgemein, wie er es auch später in seinem 1963 veröffentlichten Buch „Interaction of Color“ erläutert hat: „Wer besser sieht, schärfer unterscheidet, die Relativität der Fakten erkennt und weiß, daß es nie nur eine einzige Lösung für visuelle Formulierungen gibt, der wird dann wohl auch seine Meinung über andere ändern, u. a. wird er sowohl genauer als auch toleranter werden.“² Damit überträgt er seine durch Farbexperimente sichtbar gemachten Erkenntnisse auch auf andere Lebensbereiche und möchte die Menschen für die Wahrnehmung der Welt sensibilisieren. Mit einfachen künstlerischen Mitteln offenbart Albers die wechselseitige Beeinflussung von Sachverhalten und ihre Veränderung unter den jeweils gegebenen Umständen. Ausgehend von dem „Verhalten“ der Farbe überträgt er diese Beobachtungen im weitesten Sinne auf den Menschen und seine sozialen Beziehungen.
„Meiner Meinung nach verhält sich die Farbe wie der Mensch – in zwei verschiedenen Weisen: zuerst in der Selbstverwirklichung und dann in der Verwirklichung von Beziehungen zu anderen. In meinen Gemälden habe ich oft versucht, zwei Polaritäten zu verbinden – Unabhängigkeit und gegenseitige Abhängigkeit. (…) Mit anderen Worten, man muß gleichzeitig ein Individuum und ein Mitglied der Gesellschaft sein können.“³


Sarah Wittig

 

 

¹ Josef Abers, zit. nach: Kat. der Ausst. Josef Albers. Werke auf Papier, Kunstmuseum Bonn, Bonn 1998, S. 39.
² Josef Albers, Interaction of Color, Köln 1970, S. 13.
³ Josef Albers, zit. nach: Kat. Albers 1998, S. 29.