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Robert Longo

Men in the Cities (Joanna and Larry)

1983

Zwei Lithographien auf Bütten
Maße: jeweils 180 x 91,5 cm
Signatur, Datierung, Nummerierung: jeweils signiert und datiert rechts unten, nummeriert links unten
Exemplar-Nummer: 47/48
Druck: Maurice Sanchez, Derrière l’Étoile Studios, New York
Herausgeber: Edition Schellmann & Klüser, München/New York
Inventar-Nummer: 1001150.1–2

 

Robert Longos Werke Joanna und Larry gehören zu einer Reihe großformatiger Lithographien, die unter dem Titel Men in the Cities zusammengefaßt wurden. Die in unterschiedlichen Bewegungen aufgenommenen, überlebensgroß dargestellten Figuren werden vom Bildrand angeschnitten. Der weiße Hintergrund und die verschiedenen Schwarz- und Grau-Töne, die optisch an eine Phase der New York School erinnern,1 verbinden die Bilder dieser Werkgruppe miteinander. Zu sehen sind exaltiert tanzende Männer und Frauen, die in ihrer Haltung gefangen scheinen.


Die Individualität der Personen wird in ihren Frisuren und Gesichtern erkennbar. Meist dienten Longo Photos von seinen Freunden als Vorlage für die Lithographien.2 Die Figuren im Bildausschnitt wurden ihres räumlichen und sozialen Umfeldes enthoben. Einige zeigen extreme und ungewöhnliche Körperhaltungen: Während Joanne nach hinten fällt, ist Larry vornübergebeugt. Genau diesen Moment möchte der Künstler festhalten. Er bringt seine Freunde in eine Lage, die sie jenseits ihrer Modellfunktion normalerweise nicht einnehmen würden. Ihre Kleidung läßt nur bedingt Rückschlüsse auf ihr gesellschaftliches Umfeld zu, die Männer tragen Hemden und Krawatten, die Frauen Kleider oder Röcke. Daß sie sich in einer Großstadt befinden, ist nur aus dem Titel zu entnehmen. Es handelt sich dabei nicht um eine bestimmte Stadt – Menschen in derart heftigen Bewegungen könnten überall zu sehen sein, wie auch der Plural Cities im Titel deutlich macht.


Ihre Haltung läßt mehrere Deutungen zu. So scheinen die Männer und Frauen tranceartig zu tanzen, oder aber fast regungslos wie Joanne, zu Boden zu stürzen. Die von Longo ausgewählten Szenen lassen an Verletzung, Gewalt und deren Folgen denken. Obwohl die Ursache ihrer expressiven Haltung verborgen bleibt, scheinen die Figuren einer Situation ausgesetzt zu sein, die ihnen den Boden unter den Füßen entzieht und sie zum Fallen bringt, wobei sie ihre Arme marionettenartig nach oben reißen.


Der weiße und neutrale Hintergrund entrückt die Figuren jedem sozialen Zusammenhang, sie schweben zwischen überall und nirgendwo. Die von Longo in völliger Isolation abgebildeten Männer und Frauen repräsentieren nicht nur seine Generation von Amerikanern: Sie stehen ganz allgemein für die Einsamkeit, den Kampf mit individuellen Ängsten und schließlich für die Ohnmacht des Einzelnen im Strudel des Lebens.


Carolin Liebermann

 

 

1 Vgl. Carter Ratcliff, Robert Longo, München 1985, S. 17.
2 Vgl. Howard N. Fox, In civil war, in: Kat. der Ausst. Robert Longo, hrsg. v. Howard N. Fox, Los Angeles County Museum of Art, New York 1989, S. 11–49, hier S. 23.