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Otto Piene

Roter Regenbogen

1973

Siebdruck auf Karton
Maße: jeweils 99 x 69 cm
Signatur, Datierung, Nummerierung: jeweils signiert und datiert rechts unten, nummeriert links unten
Exemplar-Nummern: 43/50 (Blauer Regenbogen), 39/50 (Roter Regenbogen)
Verlag: Edition Geier, Ingolstadt
Inventar-Nummern: 1002057 und 1002067

 

Den Künstler Otto Piene beeindruckten Lichterscheinungen, wie beispielsweise der Regenbogen, schon seit seiner Kindheit. Später wurden sie bei ihm nicht nur in der Malerei zum vielfach verwendeten Motiv und in verschiedenen Variationen dargestellt.1


In dem Blatt Blauer Regenbogen, das mit dem Roten Regenbogen ein Pendant besitzt, ist inmitten eines rechteckigen blauen Bildraums eine neongelbe Kreisfläche zu sehen, vor der sich in der oberen Hälfte die Darstellung eines Regenbogens befindet. Es scheint, als würde der Regenbogen, der als überlanger Halbkreis in die sieben Spektralfarben aufgefächert ist, in der Sonne, wie auf einer Wasseroberfläche gespiegelt. Der innerste Farbring des Regenbogens umfaßt eine weiße Kreisfläche. Das die Sonne umgebende Blau kann als Farbe des Wassers wie auch des Himmels gesehen werden. Im näheren Umkreis des leuchtenden Gelbs erhellt sich der Farbton des Blaus. Wie bei dem flackernden Licht der Sonne zum umgebenden Himmel sind die Übergänge von Blau und Gelb eher flimmernd. In der unteren Hälfte des Bildes sind im Blau dunkle Strukturen zu erkennen, die von den beiden Bodenecken in Richtung der Himmelserscheinung verlaufen. Sie können dem Betrachter den Eindruck vermitteln, er befände sich am vorderen Ende eines fahrenden Schiffes, von dem aus er auf die Bugwellen schaut. Der Blick wird in Richtung Horizont geführt, an dem die Spiegelung des Regenbogens zu sehen ist.


Im Kontext der bildenden Kunst gilt der Regenbogen vielfach als Symbol für eine göttliche Manifestation wohlwollenden Charakters, da ihn Gott im Alten Testament an das Firmament, als Zeichen seines Bundes mit den Menschen, setzt. Er wird als Symbol der Verbindung zwischen den Daseinsbereichen Himmel und Erde aufgefaßt und im europäischen Volksglauben oft als Ankündigung von künftigem Reichtum oder Glück gedeutet.2


Piene betrachtete die Kunst ebenfalls als ein Bindeglied, der es gelingen sollte, eine Synthese von Mensch, Natur und Technik herzustellen. Bei der vom Auge vermittelten Sinneswahrnehmung interessierte ihn nicht der psychologische Stimmungswert, sondern allein ihr physikalischer Lichtwert, den Gelb, Silber und Weiß am intensivsten demonstrieren.3 Piene stilisiert das romantische Motiv des Regenbogens zu einem ornamentalen Kreis und verwendet dabei plakative Neonfarben der Pop Art.


Der optimistische Ausdruck von Pienes Kunst wurde häufig als naive Zukunftseuphorie angesehen. Sie kann aber auch als Gegenposition zu den Tachisten verstanden werden, da sie ihren Ausgangspunkt in einer kritischen Einschätzung der damaligen Gegenwart, in der Negativität zur gedankenlosen Mode geworden war, hatte. Der Künstler dazu: „Die Gegenwart verlangt kein Gegen sondern ein Für.“4


Sven Künzel

 

 

1 Zum Beispiel: Gestaltung der Fassade der Hauptverwaltung Selb mit einem überdimensionalen Regenbogen (1973): Regenbogen für Philip Rosenthal.
2 Vgl. Knauers Lexikon der Symbole, hrsg. v. Hans Biedermann, Augsburg 2000, S. 358.
3 Vgl. Annette Kuhn, Otto Piene, in: Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, hrsg. v. Lothar Romain und Detlev Bluemler, München 1991, S. 1–5.
4 Ebd., S. 1.