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A. R. Penck

UrEndStandart

1972

Mappe mit 15 Siebdrucken auf Primula-Umschlagkarton
Maße: jeweils 70 x 70 cm
Signatur, Datierung, Nummerierung: jeweils verso nummeriert, Signatur auf Klebeetiketten
Exemplar-Nummer: 41/75
Druck: H. G. Schultz und U. Streifeneder, München
Herausgeber: Fred Jahn, München; Michael Werner, Köln
Verlag: Edition X des Verlags Gernot v. Pape, München; Edition der Galerie Heiner Friedrich, München
Inventar-Nummer: 1001108.1–15

 

„Der Begriff Standart ist ein Griff in das Gebiet des Seh- und Perceptionsverhaltens, des Trainings dieses Verhaltens, der Technik der Regelung dieses Verhaltens, der Stellung dieses Trainings, welches das Ziel der technisch erzeugten Anpassung des Gehirns an eine künstliche Signalumgebung hat. Der Begriff enthält Gefühls- und Wortassoziationsmöglichkeiten zu Standard (standardo, Standarte), zu Stand (feststellen, Zustand oder Stand im Sinne der Ständeordnung) und Art (artifiziell, art).“ (A. R. Penck)1  


Im Gewirr von stark vereinfachten Figuren, die nur linear dargestellt sind und keinerlei individuelle Züge aufweisen, symbolträchtigen Pfeilen, Wellenlinien, Kreisen und strichcodeartigen Streifen, findet man Pencks Wortspiele in Kombination mit den Partikeln „Ur“ und „End“, die auf Anfang und Ende hinweisen: Raum, Weg, Entwicklung, Zeit, Erkenne, Bild, Begriff, Entscheidung, Kampf, Stop, Go, Force, Kampf. Penck setzt Zeichen in Schwarz und Rot, Zeichen, die uns wie Schilder einen Weg im Labyrinth des Lebens weisen könnten. Sein Konzept soll die heutige Kunst „zu praktischen Zwecken“2 zurückbringen, wie die Eiszeitkunst die Grundsituationen des Lebens markieren, die damals aus der Jagd, dem Kampf, dem Gruppenleben bestanden, denn auch heute geht es noch um das Überleben des Einzelnen und der Gesellschaft.


Penck hatte sich Anfang der 70er Jahre mit der Kybernetik, der Informationstheorie, auseinandergesetzt. Als er sich mit Signalen und Symbolen sowie der Analyse gesellschaftlicher Kommunikationssysteme beschäftigte, stieß er auf die Eiszeitkunst und formulierte sein Programm, das den Konflikt zwischen Gut und Böse, richtig und falsch, Ost und West sowie anderen Gegensätzen durch die Aufnahme in ein System der Gleichwertigkeit neutralisieren sollte.3 Penck sah damals „eine gewisse Analogie zwischen abgelagerter Information und Geologie.“4 „Signale steuern Verhalten, Information steuert Verhalten. Signale setzen Auftriebe in Bewegung oder hemmen sie. Signale bewirken Erregung, Stimmung des Gesamttonus. Existenz, Entfaltung, Gelingen, Zerfall gesteuert durch Signale. (…) Die pragmatische und magische Kunst des Eiszeitmenschen läßt mich vermuten, daß im Ursprung der Kunst anfängliche Ergebnisse der Signalforschung da sind, die später wieder verschüttet wurden.“5 Sein Pseudonym wählte Penck nach dem deutschen Geologen und Eiszeitforscher Albrecht Penck (1858–1945). Es steht für den Künstler mit dem bürgerlichen Namen Ralf Winkler symbolisch und strategisch, denn es diente ihm auch als Tarnname. A. R. Penck, der damals noch in der DDR lebte, war dem Regime suspekt und mußte mit Restriktionen bei der Ausübung seiner Kunst rechnen.


Nadja Gebhardt

 

 

1 A. R. Penck, Standart. Einführung des Begriffes, 1970, in: Kat. der Ausst. A. R. Penck, Kunsthalle Köln 1981, S. 101.
2 Kat. der Ausst. A. R. Penck – Zeichnungen und druckgraphische Werke im Basler Kupferstichkabinett, Cabinet des Estampes Genf, Basel 1986, o. S.
3 Ebd.
4 A. R. Penck in: Kat. der Ausst. A. R. Penck, hrsg. v. Lucius Grisebach, Nationalgalerie Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin / Kunsthaus Zürich, München 1988, S. 32.
5 A. R. Penck in: Kat. der Ausst. Penck mal TM, Kunsthalle Bern, Bern 1975, o. S.