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Rosie Gibbens

untitled (eye, lips and nipple)

2021

Giclée-Druck auf Hahnemühle-Papier, Ed. 4/10, je 21 x 14,8 cm, Städtische Sammlung Erlangen

 

 

Die Künstlerin Rosie Gibbens vergleicht sich selbst mit einem Alien, das während seines Besuch auf unserem Planeten versucht, sich an die manchmal absurden Routinen der Erdbewohner*innen anzupassen – und dabei äußerst produktiv scheitert. In ihren Werken, die meist zwischen Skulptur und Performance oszillieren, geht die Britin Fragen nach der Performanz von Geschlecht, körperlichen wie sexuellen Normen und den Auswirkungen der Konsumgesellschaft auf den Menschen nach. Dabei bedient sie sich ihres eigenen, jungen und zissexuellen, weiblichen Körpers als Material und Ausgangspunkt.

Gibbens interessiert sich für Techniken der (sexuellen) Verführung und welche Rolle individuelle Körperteile dabei spielen. Die weichen Skulpturen und Props, die sie dabei einsetzt, stellen oft stark vergrößerte Duplikate von Organen oder Körperöffnungen dar. Ausgestattet mit diesen, sucht sie sich alltägliche Objekte und verwandelt diese zweckentfremdend in Werkzeuge ihrer Performances.

 

Für untitled (eye, lips and nipple) hat Gibbens sich gescannt und präsentiert den Betrachter*innen nacheinander ein blau geschminktes Auge, ihre geöffneten roten Lippen und eine nackte Brust. Gefüllt ist das Bildfeld in allen drei Fällen vom rotbraunen Haar der Künstlerin, das vielsträhnig ans Glas gepresst ist und nur durch eine kleine Öffnung den Blick auf den jeweiligen Körperteil freigibt. Das Spiel aus Zeigen und Verstecken macht neugierig auf das, was hinter der Glaswand stecken mag. Doch die für Gibbens Arbeiten typische Fragmentierung des Körpers lässt den Betrachter*innen keine andere Wahl, als sich allein in der Fantasie eine dazugehörige Person zusammenzusetzen.

 

Wirken die Bilder auch aufgrund des kleinen Formats zunächst nah und intim, scheinen sie zugleich doch auch fern und unwirklich. Die bis ins feinste Härchen aufgelöste Mähne erinnert ein wenig an abgeschnittene Mädchenlocken in einem antiquarischen Amulett: Eine Illusion körperlicher Präsenz, die nur an den Stellen gebrochen wird, an denen der Scanner eine Bewegung eingefangen und dem Bild einen ganz zeitgenössischen Glitch verpasst hat.

 

 

Malte Lin-Kröger