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Jan Dibbets

ohne Titel

1974

Offsetlithographie auf Karton geklebt
Aus der Mappe LANDSCAPE (mit jeweils einer Graphik von Christo, Jan Dibbets, Richard Hamilton und Dennis Oppenheim)
Maße: 33 x 40 cm
Signatur, Datierung, Nummerierung: signiert, datiert und nummeriert Mitte unten
Exemplar-Nummer: 39/55
Inventar-Nummer: 1001416

 

Der Niederländer Jan Dibbets fordert und fördert durch seine Kunst den genauen Blick. Seine Offsetlithographie ist in drei gleich große horizontale Farbstreifen unterteilt. Sie sind jeweils durch eine zentrierte Ziffer bezeichnet, so daß sich von oben nach unten eine Nummerierung von 1 bis 3 ergibt. Dem obersten Streifen in Cremeweiß folgt der mittlere in Hellblau, der untere Streifen enthält beide Farben, die eine Meeresoberfläche photographisch darstellen.


Die Bildstruktur und die Perspektive vermitteln den Eindruck, als stünde man direkt am Meer. Die Horizontlinie bildet einen geraden Abschluß unterhalb der einfarbigen Flächen und trennt die Natur von der Abstraktion. Dibbets unterscheidet also zwischen Materialoberfläche und Bildoberfläche. Die Farben rufen zwar im Auge des Betrachters Assoziationen wie Himmel und Wolken hervor, machen aber gleichzeitig darauf aufmerksam, daß hier „etwas nicht stimmt“. Nur die Farben der Meereslandschaft sind zu sehen, nicht aber deren Motiv. Der Künstler steht mit seiner Vorgehensweise, konstruierendes Bild und dokumentierendes Abbild miteinander zu verbinden, in der Tradition der niederländischen Landschaftsmalerei, die ihr Augenmerk schon immer auf Perspektive, Licht und Schatten gelegt hat. Die Evokation von Wolken und Himmel erinnert an die Seestücke der Niederländer Simon de Vlieger (1601–1653) oder Jan van Goyen (1596 –1656). Seit seiner Serie Perspective Corrections von 1967–1969 arbeitet Dibbets mit allen Arten von Perspektive, um die Wahrnehmung des Betrachters auf die Probe zu stellen. In der Regel fehlt der gegenständlich eindeutige Orientierungspunkt.
„Dibbets fotografiert nicht, um etwas abzubilden, sondern um etwas auszudrücken. (…) Er wählt einen ganz anderen Ausgangspunkt. Es ist beinahe ein Nullpunkt, von dem aus die Fotografie einerseits der Abhängigkeit vom Abbilden entfliehen und andererseits ein deutliches Formkonzept ausdrücken kann. Am Schluss der Rechnung steht Dibbets in der Tradition der bildenden Kunst und ist als Künstler in erster Linie ein Künstler der Form.“1


Das Werk motiviert den Betrachter, die Wahrnehmung seiner Umwelt als standortgebunden zu reflektieren. Im Falle der Landschaft ist sie stets ein Produkt aus der gesehenen Natur und der Natur des Sehens.


Carolin Liebermann

 

 

1 Marcel Vos, Die Fotografie und das Werk von Jan Dibbets, in: Kat. der Ausst. Jan Dibbets. Werke der Jahre 1967–1980, Kunsthalle Bern 1980, S. 2.